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Stephan Kisling

Atmung: Ein wichtiger Faktor für Gesundheit und sportliche Leistungsfähigkeit

Aktualisiert: 27. Juli

Nichts scheint so selbstverständlich zu sein wie das Atmen. Mit der ersten Sekunde unseres Lebens beginnen wir damit. Wir tun es immer und ständig. Ob bewusst, wenn wir beispielsweise beim Sport außer Atem kommen, oder unterbewusst, wenn wir nachts schlafen. Ohne zu atmen überleben wir nur wenige Minuten. Trotz all dieser genannten Punkte machen sich doch nur die allerwenigsten Gedanken darüber, ob es Unterschiede gibt, wie und wie viel sie atmen. Beim Thema Ernährung ist heutzutage jedem klar, dass es sehr wohl einiges zu beachten gibt. Es kommt auf die Auswahl der Lebensmittel an, deren richtige Zubereitung sowie die gegessene Gesamtmenge. Es lohnt sich, auch die eigene Atmung kennenzulernen und genauer zu durchleuchten. Atmest du durch den Mund oder durch die Nase? Eher flach in die Brust oder tief in den Bauch? Wie verändert sich deine Atmung in stressigen Situationen und wie hilft sie dir, dich schnell wieder zu regulieren? Welche gesundheitlichen Aspekte sind mit der Atmung verbunden? Und was hat Atmung mit sportlicher Leistung zu tun? Für mich als Personal Trainer gehört die Atmung in jedes ganzheitliche Trainingskonzept.

Wichtig: In diesem Artikel beschränke ich mich auf die für mich wesentlichen Punkte zur Atmung. Er bietet in aller Kürze die Essenz aus sehr vielen gelesenen Büchern und Studien. Für ein weiteres tieferes Verständnis empfehle ich die verwendete Literatur im Literaturverzeichnis.


Physiologie der Atmung

Über unsere Nase und den Mund wird Luft aufgenommen und in die Lunge transportiert. Hier wird der Sauerstoff (O2) in den Kapillaren an das Blut abgegeben und gleichzeitig Kohlendioxid (CO2) aufgenommen und anschließend abgeatmet. Diesen Vorgang bezeichnet man als äußere Atmung. In der inneren Atmung werden biochemische Prozesse der Zellatmung beschrieben, auf die ich hier nicht eingehen werde. Anders als im Beispiel mit dem Essen haben wir auf die Qualität der eingeatmeten Luft keinen großen Einfluss. Wir können bekanntermaßen über die Nase als auch über den Mund atmen. Wie alle Säugetiere haben wir diese zwei Möglichkeiten. Da wir nur wenige Minuten ohne zu atmen überleben können, ist es von der Natur klug, uns mit zwei Systemen auszustatten. Allerdings findet man nur beim Menschen eine immer stärker werdende Zunahme der Mundatmung. Der Mund ist zum Essen da und in Ausnahmesituationen zum Luft holen (verstopfte Nasen, hochintensive Belastungen).


Gründe für die Nasenatmung

  • Sie filtert die Luft und schützt daher vor Erkältungen, Keimen und Staub.

  • Dabei wird Stickstoffmonoxid gebildet, welches für die Erweiterung der Gefäße sorgt -> man bekommt besser Luft.

  • Ist 20-30% effizienter als Mundatmung.

  • Die Sauerstoffaufnahme in der Muskulatur wird verbessert, da eine höhere CO2-Konzentration im Blutkreislauf entsteht.

  • Befeuchtet und erwärmt die Luft.


Gründe gegen die Mundatmung

  • Man nimmt mehr Luft auf als benötigt wird (2–3-mal, was keinen verbesserten Effekt hat).

  • Der CO2-Gehalt im Blutkreislauf sinkt und die Muskeln und Organe werden schlechter mit O2 versorgt.

  • Aktiviert den Sympathikus (Angst, Flucht, Kampf, Stress).

  • Bis zu 40% mehr Wasserverlust.


Es ist erstaunlich zu sehen, dass unsere Vorfahren so gut wie keine schief stehenden oder deformierten Zähne hatten, wie es heute nur allzu oft der Fall ist. James Nestor beschreibt dies anschaulich in seinem Buch „Breath“. Gründe dafür sind unter anderem, dass unsere Nahrung im Laufe der Zeit immer weicher wurde und damit einhergehend unsere Kiefer sich zurückgebildet haben. Dies wiederum veränderte die Gesichts- und Schädelform. Die Nase wurde schmaler. Eine schmalere Nase erschwert das Atmen und so entsteht ein Kreislauf, der die Mundatmung begünstigt. Untersuchte Naturvölker, die ihren Lebensstil so gut wie nicht verändert haben, sind von dieser Entwicklung nicht betroffen. Einer der ersten Wissenschaftler, der sich gründlich mit dem Zusammenhang von Atmung und Krankheit beschäftigte, war Konstantin Buteyko. Bereits um das Jahr 1950 beobachtete er, wie sich die Atmung bei Patienten, die im Sterben lagen, veränderte und stellte sich generelle Fragen:


  • Ist eine intensive Atmung nur das Symptom einer Krankheit?

  • Ist die intensive Atmung vielleicht aber auch die Ursache?


Oder anders ausgedrückt: Atme ich stark, weil ich krank bin, oder bin ich krank, weil ich so intensiv atme? Nach jahrelanger Forschungsarbeit und vielen Selbstversuchen war Buteyko zu der Überzeugung gelangt, dass übermäßiges Atmen die Ursache vieler chronischer Krankheiten ist (darunter Asthma, Bronchitis, Schlaflosigkeit, Allergien, Herz- und Kreislauferkrankungen, Immunkrankheiten). Er startete eine große Reihe von Versuchen und Anwendungen mit seinen Patienten und hatte großen Erfolg damit. Besonders bei Asthmatikern und Bluthochdruckpatienten. Allerdings wurde ihm die Veröffentlichung seiner Erkenntnisse zu Beginn verwehrt. Seine Theorien stellten die Grundlagen der modernen Medizin infrage und er traf hier auf großen Widerstand.

Atmen ist ein sehr sensibler Prozess. Jeder kennt es, wenn bei Aufregung, Freude, Furcht, Lust die Atmung sich von allein beschleunigt. Zudem formen unsere Lebensgewohnheiten unsere Atemgewohnheiten. So entstehen dysfunktionale Atemmuster wie z.B. das Atmen durch den Mund, eine anstrengende flache Brustatmung, chronische Hyperventilation. Mit all seinen Erkenntnissen und Erfahrungen entwickelte er eine spezielle Methode zur Atmung, die heute noch unter „Buteyko-Atmung“ bekannt ist. Für ihn geschieht eine funktionelle Atmung langsam. Sie beginnt in der Nase und führt in den Bauchraum (Zwerchfellatmung). Zudem ist sie kaum hörbar. Der Rhythmus ist gleichmäßig und mühelos. So neu auch seine Erkenntnisse zu seiner Zeit waren. Der Zusammenhang zwischen Atmung und Gesundheit wurde schon viel früher dokumentiert. Vor allem in Asien war schon früh ein Wissen darüber bekannt. Hier ein paar Beispiele:


  • In China rieten Ärzte vor zweitausend Jahren nicht mehr als 13.500 Atemzüge am Tag zu nehmen. Das sind 9 in der Minute.

  • Das Pranayama ist die yogische Praxis der Atemkontrolle.

  • Im Yoga des Altertums ging es hauptsächlich um die Atmung. Flexibel und geduldig zu bleiben und langsam zu entdecken, welche Möglichkeiten die Atmung bietet.

  • Sehr viele Meditationstechniken nutzen die Atmung. Bei der Vipassana-Meditation (eine der ältesten Meditationsformen Indiens) nutzt man z.B. zu Beginn den Atem, um sich auf den gegenwärtigen Augenblick zu konzentrieren. „Wenn wir unsere Atmung kontrollieren, kommen wir zur Ruhe, besonders dann, wenn wir den Fokus auf die Ausatmung legen. Das Ziel besteht darin, die Atmung zu verlängern und zu verfeinern“ (Patanjali, 400 v. Chr.)


Atmung, Gesundheit und Alltag

Unser autonomes Nervensystem (ANS) besteht aus dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Es kontrolliert unsere meist unwillkürlich ablaufenden Funktionen wie z.B. unsere Verdauung, Herzschlag, Atmung, Blutdruck und einige mehr. Der Sympathikus ist für Erregung und Aktivität zuständig, wohingegen der Parasympathikus für Ruhe und Erholung sorgt. Durch unsere Atmung können wir das ANS bewusst beeinflussen. Die Nervenfasern des Sympathikus verlaufen überwiegend am oberen Teil der Lunge, welche durch die Bewegungen der Brust beim flachen Brustatmen aktiviert werden. Die Nerven des Parasympathikus liegen an den unteren Lungenlappen und werden bei der Bauchatmung stimuliert. Wer chronisch in die Brust atmet, stimuliert auch damit dauerhaft den Sympathikus. Zudem wird er zusätzlich durch unseren Alltag ständig stimuliert (Reizüberflutung durch Handy, Fernsehen, Arbeit vor dem Computer, Social Media etc.). Der Sympathikus lässt sich binnen weniger Sekunden aktivieren (was zum Überleben in früheren Zeiten sinnvoll war -Stichwort: Kampf oder Flucht). Allerdings benötigen wir zum Abschalten sehr lange (manchmal Stunden). Dieses Ungleichgewicht von Stress und Erholung ist auf Dauer für den Körper ungesund. Für unsere Gesundheit ist es zwingend notwendig, dass auf aktivierende „stressige“ Situationen angemessene Ruhephasen folgen. Durch die Atmung können wir gezielt den Parasympathikus aktivieren und so für Entspannung und Ruhephasen sorgen.


Wie lässt sich die Atmung verändern?

Zuerst sollte man wissen, wie die eigene Atmung aussieht. Das hört sich leicht an, ist manchmal aber gar nicht so einfach. Sobald man bewusst auf den Atem achtet, verändert er sich bereits. Folgende Punkte helfen:


  • Atmest du überwiegend durch die Nase oder durch den Mund? Steht dein Mund meistens ein klein wenig offen oder ist er geschlossen? (Partner:in fragen)

  • Schnarchst du nachts?

  • Wachst du morgens mit einem trockenen Mund auf? Wenn ja, atmest du nachts ziemlich wahrscheinlich durch den Mund.

  • Wie viele Atemzüge nimmst du durchschnittlich in der Minute (selbst zählen und Rhythmus dabei nicht verändern oder Partner:in fragen).

  • Aufmerksam beobachten, in welchen Situationen sich die Atmung verändert.


Atemmuster verändern

Für sehr viele ist es zu Beginn sehr schwer, durch die Nase in den Bauch zu atmen. Wer es seit langer Zeit gewohnt ist, flach in die Brust zu atmen, tut sich damit zu Beginn sehr schwer. Zum Erlernen der Bauchatmung hat sich für mich folgende Übung bewährt.


Atemübung für die richtige Bauchatmung

Setze dich mit geradem Rücken aufrecht hin oder lege dich auf den Rücken. Die linke Hand liegt auf deinem Bauchnabel. Die rechte Hand auf deiner Brust. Atme 4 Sekunden lang durch die Nase ein und beobachte, wie deine linke Hand sich nach oben bewegt. Anschließend atme 6 Sekunden aus und beobachte, wie deine linke Hand wieder nach unten bewegt wird. Deine

 

rechte Hand sollte die ganze Zeit über regungslos auf der Brust liegen. Sollte sie sich bewegen, konzentriere dich wieder darauf, mehr in den Bauch zu atmen. Dauer: 5-10 Min. Variation: Vielen hilft es, sich ein kleines Gewicht auf den Bauch zu legen (z.B. ein Buch).

Um dein Atemmuster dauerhaft zu verändern, empfehle ich dir, 3x am Tag für 3-5 Minuten ruhig im 4:6 Rhythmus zu atmen. Das kann auch gut in den Alltag integriert werden und muss nicht immer isoliert gemacht werden. Zum Beispiel in der Bahn, beim Spazieren, Kochen etc. Selbst auf dem Sofa beim Fernsehen kann man entspannt atmen. Durch das stetige Wiederholen und die präsente Erinnerung daran wird sich das Atemmuster mit der Zeit verändern.


Atmung und Sport:

Bei Bewegung wird im Körper CO2 erzeugt, bei Bewegungsmangel deutlich weniger. McKeown weist in seinem Buch „Atme und heile dich selbst“ darauf hin, dass vor 50 Jahren ein Großteil der Menschen noch ca. 4 Stunden täglich sehr aktiv verbrachte. Heute schaffen es im Schnitt nur noch 5% täglich für 30 Minuten aktiv zu sein. Dieses Ungleichgewicht von O2 und CO2 ist ein biochemischer Auslöser, der schlechte Atmung begünstigt, da der Körper versucht, dieses durch intensivierte Atmung auszugleichen. -> Ein Kreislauf entsteht.

Bei den Olympischen Spielen in Mexiko von 1968 wurden zahlreiche Rekorde aufgestellt. Man fand zum ersten Mal den Zusammenhang von Höhentraining und gesteigerter Leistung. Die Athleten befanden sich auf ca. 2300m Höhe und produzierten somit mehr rote Blutkörperchen, die für bessere Ausdauerleistungen mitverantwortlich sind. Zudem sorgen sie für einen besseren Säureabbau. Auch heute noch gehen viele Athleten zur Vorbereitung eines Wettkampfes in höhere Regionen zum Trainieren. Des Weiteren gibt es spezielle Trainingsmaßnahmen wie IHHT (Intervall-Hypoxie-Hyperoxie) Training. Eine Methode, bei der mit einer Atemmaske dem Körper gezielt Sauerstoff entzogen und auch wieder vermehrt zugeführt wird. Durch spezielle Atemübungen lässt sich das gleiche Ziel verfolgen, indem der Körper Phasen ausgesetzt ist, in denen er nur vermindert O2 zur Verfügung hat (reduzierte O2-Atemübungen) und Phasen mit erhöhter O2-Zufuhr (Hyperventilationsübungen). Für weitere Aspekte im Zusammenhang Sport und Atmung erlaube ich mir, auf meinen Blogbeitrag „Atmung und Fußball“ zu verweisen.

Ich hoffe, der Beitrag konnte die Wichtigkeit der uns so selbstverständlichen Atmung aufzeigen. Für mein Verständnis von Gesundheit ist die Atmung mittlerweile auf einer Höhe mit Ernährung gleichzusetzen. Zudem gehört sie in jedes ganzheitliche Trainingskonzept.


Möchtest auch du mehr Energie und Wohlbefinden in deinen Alltag integrieren? Besser regenerieren und schneller abschalten können? Nachts besser schlafen? Deine Ausdauer verbessern? Dann zögere nicht, mich zu kontaktieren. Gemeinsam entwickeln wir eine Strategie zur Umsetzung deiner persönlichen Ziele.

Wichtiger Hinweis: Atemübungen sind in der Regel ungefährlich. Idealerweise immer zu zweit ausführen. Bei Anzeichen von Schwindel, Unwohlsein, Beeinträchtigung des Sichtfeldes sofort die Übung abbrechen. Für die hier aufgeführten Beispiele wird keine Haftung übernommen.

 

 

 

Literaturverzeichnis

  • James Nestor 2020 „Breath“.

  • Patrick McKeown 2019 „Erfolgsfaktor Sauerstoff”.

  • Kox et al. 2014. „Voluntary activation of the sympathetic nervous system and attenuation of the innate immune response in human”.

  • Patrick McKeown 2022 „Atme und heile dich selbst“.

  • Ralph Skuban 2022 „Buteyko Methode“.

  • Artour Rakhimov „Normal Breathing for Buteyko Teachers”.

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