Ernährung verstehen. Auf dem Weg zu mehr Energie und Wohlbefinden
- Stephan Kisling
- 10. März
- 8 Min. Lesezeit
In diesem spannenden Interview spreche ich mit dem erfahrenen Personal Trainer Marco Giglio über das Thema Ernährung. Zunächst teile ich meine Beobachtungen zur Ernährung im Fußball und welche Maßnahmen heutzutage ergriffen werden. Im Anschluss berichtet Marco von seinen Erfahrungen mit Klienten und deren individuellen Herausforderungen. Abschließend widmen wir uns dem umfangreichen Thema der Nahrungsergänzungsmittel und deren Bedeutung für die Gesundheit und Leistung.
Marco: Wie läuft es mit der Ernährung bei Fußballspielen oder Lehrgängen?
Stephan: Bei Länderspielen gibt es zwei Szenarien.
Im Idealfall begleitet uns ein erfahrener Koch, der sich um alles kümmert und mit dem Hotelpersonal zusammenarbeitet.
Die zweite Möglichkeit ist, dass eine Ernährungsberaterin im Vorfeld die Menüs mit dem Hotel abstimmt.
Meine Aufgabe ist es dann vor Ort sicherzustellen, dass alles passt, z. B. dass es kein Nutella am Frühstückstisch gibt oder die Getränkeauswahl kontrolliert wird.
Marco: Was macht den Unterschied, wenn ein Koch dabei ist?
Stephan: Besonders in Ländern mit weniger Fokus auf gesunde Ernährung ist es Gold wert, einen eigenen Koch zu haben.
Dieser kennt sich aus und sorgt für ausgewogene, frische Gerichte.
Marco: Wie sieht ein typischer Speiseplan aus?
Stephan: Morgens gibt es Porridge, Joghurt, ungesüßtes Müsli und Omeletts.
Nach dem Training bieten wir kleine Recovery-Shakes, etwa Bananenmilch.
Mittags gibt es ein Salatbuffet, Suppe und ein Buffet mit Fleisch, Fisch, Vollkornnudeln und landestypischen Speisen. Abends genauso.
Zusätzlich gibt es oft noch kleine Snacks wie Vollkornsandwiches oder Wraps.
Marco: Gibt es eigentlich Spieler, die sich private Köche leisten?
Stephan: Im Fußball gibt es alles. Aber es ist nicht die Regel.
Ich weiß, dass z. B. Chelsea London Köche hat, die dauerhaft oder punktuell von den Spielern engagiert werden können.
Marco: Was sind häufige Fehler in der Ernährung von Athleten?
Stephan: Eine zu einseitige Ernährung ist ein Problem, z. B. weiße Brötchen und wenig Gemüse. Salat und Gemüse wird weniger gern gegessen.
Das es wichtig wäre merken vor allem jüngere Spieler nicht sofort, da sie generell im anabolen Stoffwechsel sind. Da verzeiht der Körper einiges.
Mit zunehmendem Alter sinkt jedoch das Energielevel bei schlechter Ernährung schneller.
Marco: Wie sollte die Ernährung an Spieltagen aussehen?
Stephan: Bereits am Tag vor dem Spiel wird auf ausreichend Kohlenhydrate geachtet.
Am Spieltag gibt es etwa drei Stunden vorher ein Pre-Match-Meal bestehend aus Nudeln, Fleisch oder Fisch, Milchreis.
Marco: Was gibt es direkt nach dem Spiel?
Stephan: Zur Erstversorgung einen Recovery-Shake. Danach achten wir auf eine gute Balance.
Gesundes Essen, aber auch mal etwas deftiger, wie selbstgemachte Burger oder Schnitzel mit gesunden Beilagen. Das ist auch wichtig für die mentale Erholung.
Marco: Wann sind Spieler besonders offen für Ernährungswissen?
Stephan: Vor der Pubertät, etwa im Alter von 15 Jahren, sind Spieler besonders aufnahmefähig würde ich sagen. In jüngeren Jahren hängt es stark von den Ernährungsgewohnheiten zu Hause ab. In der Pubertät wird es dann wieder schwierig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen.
Marco: Gibt es noch Verbesserungsbedarf in der Ernährung im Profifußball?
Stephan: Es gibt viele Vereine, die das hervorragend umsetzen, aber insgesamt könnte sich der Großteil der Spieler intensiver mit Ernährung auseinandersetzen.
Ich finde für seine eigene Ernährung ist auch jeder zum Großteil selbst verantwortlich.
Marco: Was sind typische Snacks während eines Spiels?
Stephan: In der Kabine gibt es kleine Snacks wie Bananen, Nüsse, dunkle Schokolade mit hohem Kakaoanteil oder Datteln.
Diese Snacks dienen eher zum reinpicken und sorgen für ein schnelles Sättigungsgefühl, ohne schwer im Magen zu liegen. Während des Spiels gibt es Elektrolytgetränke.
Marco: Was fehlt im Profifußball bei der Ernährung?
Stephan: Pauschale Aussagen sind schwierig, aber viele könnten sich intensiver mit Ernährung beschäftigen.
Vereine bieten zwar Ernährungsberatung und Leitfäden an, doch die Umsetzung variiert stark. Wichtig ist eine gute Balance, die auch Genuss erlaubt, etwa durch gesunde Versionen von beliebten Gerichten.
Stephan: Hast du, was Ernährung angeht, für dich und für deine Klienten eine Philosophie, wo du sagen würdest, das ist mein Ansatz? Welche Schiene fährst du?
Marco: Also ich habe das Rad nicht neu erfunden. Der entscheidende Punkt ist: Wenn Menschen eine nachhaltige Veränderung wollen, müssen sie verstehen, was sie essen und was drin ist.
Das umfasst Nährstoffe, ihre Funktionen und die Kaloriendichte der Lebensmittel. Das ist entscheidend, egal ob jemand abnehmen oder Muskelmasse aufbauen möchte.
Zweitens, die Menschen müssen es fühlen. Sie müssen die Verbindung schaffen zwischen dem, was sie essen, und den Reaktionen ihres Körpers.
Stephan: Wie schaffst du es, dass die Leute das Spüren?
Marco: Ein Hauptproblem ist oft Müdigkeit über den Tag. Das kann verschiedene Gründe haben, häufig beginnt es mit einem suboptimalen Frühstück. Meist sind es zu viele Kohlenhydrate.
Wenn wir uns darauf konzentrieren, das Frühstück zu verändern – mehr Protein und weniger Kohlenhydrate – merken die Leute schnell Verbesserungen: mehr Energie, bessere Konzentration und weniger Heißhunger.
Manche haben sogar kein Mittagstief mehr.
Stephan: Hört sich gut an. Wie stehst du zur dauerhaften Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln?
Marco: Ein sehr spannendes Thema. Ich arbeite mit über 50 Nahrungsergänzungsmitteln, vor allem Vitamine, Mineralien und Spurenelemente.
Stephan: Wie wird der Bedarf ermittelt? Über ein Blutbild?
Marco: Blutbilder sind wichtig, aber sie geben oft nur einen Durchschnittswert wieder. Mikronährstoffe sind individuell.
Eine spannende Alternative ist die Haaranalyse, die ich in Zukunft mehr nutzen werde.
Aktuell arbeite ich mit subjektiven Rückmeldungen der Klienten und Körperanalysen. Zum Beispiel: Bei seichtem Schlaf und Nervosität liegt oft ein Magnesium- und Mineralstoffmangel vor.
Magnesium braucht jeder, da unsere Ernährung oft eintönig ist und nicht genug liefert.
Stephan: Warum braucht das jeder?
Marco: Es gibt grundlegenden Komponenten in Ernährung und Lebensstil die das Beeinflussen:
In unserer Ernährung:
1. Unsere Lebensmittelauswahl ist oft sehr eingefahren.
Schau mal über 3-5 Einkäufe in deinen Einkaufswagen! Unsere Auswahl rotiert um ca. 20 Lebensmittel. Es fehlt an Variation und somit an Nährstoffvielfalt.
2. Unsere Lebensmittelqualität hat großes Potenzial.
In Ländern wie z.B. Italien riechen und schmecken wir die Qualität und damit den Mineralstoffgehalt von Gemüse und Obst.
Das fehlt uns häufig, da viele Ackerflächen und deren Anbauböden ausgelaugt und somit nährstoffarm sind. Der Boden ist die primäre Quelle für Mineralstoffe wie Kalzium, Magnesium, Eisen und Kalium.
3. Die durchschnittlich geringere Sonnenscheindauer in den meisten Ländern, die auf dem Breitengrad nördlich von Portugal liegen. Das beeinflusst die Reife, Geschmack und die Synthese von Vitaminen, besonders von Vitamin C und Vitamin A. Sowie die sekundären Pflanzenstoffe wie Flavonoide und Polyphenole, die antioxidative Eigenschaften haben.
In unserem Lebensstill:
1. Viel Zeit in Innenräumen, gepaart mit geringer Sonnenscheindauer, führt zu einem drastischen Vitamin-D-Mangel. Da Vitamin D im Körper eine entscheidende Rolle spielt, lasse ich alle Menschen, die mit mir zusammenarbeiten, zu Beginn ihren Vitamin-D-Wert bestimmen.
Ich kann an einer Hand abzählen, wie viele Menschen an Tag 1 ohne Vitamin-D-Supplementierung einen optimalen Vitamin-D-Wert hatten.
2. Der Stress, der unseren Alltag prägt. Wir verarbeiten ständig und immer mehr Informationen, sind meist rund um die Uhr erreichbar und verlieren unsere Selbstfürsorge aus den Augen.
Das beansprucht unser Nervensystem und unseren Körper und erhöht den Bedarf an Mineralien, Mikronährstoffen und Vitaminen immens.
Stephan: Ich bin größtenteils bei dir, aber ich frage mich, ob es natürlich ist, dauerhaft über Jahrzehnte einzelne Substrate zu substituieren.
Marco: Ja, das ist eine berechtigte Frage. Langzeitstudien dazu fehlen, aber meine Praxiserfahrung zeigt, dass es den Menschen unterstützt.
Warum sollten wir also mit etwas aufhören, das uns unterstützt?
Bei mehr Stress und Herausforderungen wird die Frage nach der Langzeitwirkung oft nicht gestellt. Die Menschen tendieren dazu, zusätzliche Stressoren zu ignorieren, und ich sehe, dass ihnen das nicht gut bekommt.
Unsere Ressourcen sind erschöpfbar, ähnlich wie die der Erde.
Daher bildet Nahrungsergänzung eine Grundlage für Stressmanagement und Regeneration. So gewinnen wir wieder Energie, um unser Leben und dessen Stressoren aktiv zu beeinflussen und idealerweise zu reduzieren.
Auf diese Weise sinkt langfristig auch der Bedarf an Nährstoffen.
Doch aufgrund des großen Potenzials, das ich in der Ernährung der meisten Menschen sehe, kommen viele Menschen um eine essenzielle Nahrungsergänzung für eine Weile nicht herum.
Stephan: Hast du Routinen in deiner Ernährung?
Marco: Definitiv habe ich die. Mit 106 kg Körpergewicht und 1,98 Meter Größe brauche ich ca. 3000 Kalorien am Tag, was eine Herausforderung darstellt, vor allem, um genug Protein zu bekommen.
Ich achte auf drei Proteinquellen pro Tag, und wenn es nicht reicht, nutze ich weitere Snacks und Proteinshakes.
Dazu versuche ich täglich ein Kilo Gemüse zu essen, frisch oder in Tiefkühlform. Abends esse ich die meisten meiner Kohlenhydrate. Gluten arm zu essen tut mir gut.
Ich koche gern und probiere regelmäßig neue Gerichte
Stephan: Das klingt stark. Bei mir ist es etwas einfacher.
Ich trinke morgens ein bis zwei Gläser Wasser und dann einen Shake mit etwa 600 Kalorien, gefüllt mit Nüssen, Magerquark, entzündungshemmenden Zutaten wie Kurkuma, Ingwer, Zitrone.
Obst variiert je nach Saison (Banane, Erdbeere, Zitrone etc.). Danach achte ich darauf, mindestens einmal am Tag Gemüse oder Obst zu essen.
Ich habe aufgehört, Kalorien und Proteine zu zählen – das ist mir dauerhaft zu stressig. Proteine überschlage ich grob, vor allem an Tagen, an denen ich Krafttraining mache.
Marco: Kalorien zählen ist dauerhaft nicht für jeden und sollte es auch nicht sein. Es ist wichtig, dass Ernährung Spaß macht und keine übermäßige Belastung darstellt.
Stephan: Genau. Ernährung muss einfach sein und Freude bereiten, ohne dogmatisch zu sein.
Marco: Absolut. Viele nehmen sich keine Zeit fürs Essen, stellen alles andere voran und übergehen Hunger oder Durst, was zu Heißhunger und ungesunden Essgewohnheiten führt.
Stephan: Glaubst du, dass viele Menschen die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit nicht richtig verstehen?
Marco: Definitiv. Viele wissen nicht, wie stark Ernährung ihren Alltag beeinflusst.
Sie verbinden oft das Essen nicht mit der körperlichen und geistigen Gesundheit.
Ein einfaches Beispiel ist, wie bereits erwähnt, die Wahl des Frühstücks. Viele denken nicht darüber nach, was ein gesundes Frühstück bewirken kann.
Ein proteinreiches Frühstück führt z.B. zu einer enormen Steigerung z.B. der Konzentration und Leistungsfähigkeit über den ganzen Tag.
Stephan: Wie findest du heraus, welche spezifischen Nahrungsmittel für deine Klienten am besten funktionieren?
Marco: Das ist ein Prozess. Ich arbeite eng mit meinen Klienten zusammen, um ihre Vorlieben und Abneigungen zu verstehen.
Wir rotieren verschiedene Lebensmittel und beobachten, wie sie darauf reagieren. Das kann von Verbesserungen im Energielevel bis hin zu einer besseren Stimmung wirken.
Es geht darum, eine individuelle Strategie zu entwickeln, die auf ihre Bedürfnisse und Lebensumstände zugeschnitten ist und somit nach unserer Zusammenarbeit krisensicher weitergeführt werden kann.
Stephan: Was hältst du von Diäten, die sehr restriktiv sind oder bestimmte Lebensmittelgruppen ausschließen?
Marco: Ich bin skeptisch gegenüber extrem restriktiven Diäten.
Sie können kurzfristige Erfolge bringen, aber langfristig sind sie oft nicht nachhaltig.
Menschen müssen lernen, eine Balance zu finden und die Lebensmittel zu genießen, die sie essen.
Der Schlüssel liegt in einer abwechslungsreichen Ernährung, die alle Nährstoffe abdeckt, ohne dass jemand das Gefühl hat, auf etwas verzichten zu müssen.
Dabei dürfen Menschen lernen, auf ihren Körper zu hören und wahrzunehmen, wie sie sich fühlen – etwas, das vielen zu Beginn unserer Zusammenarbeit fehlt oder verzerrt ist, um wirklich in das angestrebte „Wohlbefinden“ hineinspüren zu können.
Stephan: Gibt es für dich bestimmte Lebensmittel, die du als "Superfoods" betrachtest oder die du regelmäßig empfiehlst?
Marco: Ja, ich habe ein paar Favoriten.
Grüne Blattgemüse sind zum Beispiel großartig – sie sind nährstoffreich und kalorienarm.
Auch Beeren sind fantastisch, da sie viele Antioxidantien enthalten.
Nüsse und Samen, mit ihren „gesunden“ Fetten.
Aber ich betone immer, dass keine einzelnen Lebensmittel Wunder wirken. Es ist die Gesamtheit der Ernährung, die zählt.
Stephan: Wie sieht es mit der Zubereitung von Lebensmitteln aus? Hast du bestimmte Methoden, die du bevorzugst?
Marco: Ich bevorzuge das Dampfgaren von Gemüse, da diese Methode die Nährstoffe besser erhält und weniger Fett erfordert.
Sehr wichtig finde ich auch das Grillen sowie gelegentlich das Essen von Fleisch und Fisch in roher Form, zum Beispiel als Tatar, Carpaccio oder ein leckeres Ceviche.
Salate aus Obst und Gemüse mische ich gerne für Frische und zusätzliche Vitamine.
Es ist wichtig, in der Küche kreativ zu sein, damit die Zubereitung nicht zur Routine wird. Kochen sollte Spaß machen und eine Art Selbstfürsorge sein.
Stephan: Das klingt gut! Was empfiehlst du Menschen, die Schwierigkeiten haben, Zeit für die Zubereitung gesunder Mahlzeiten zu finden?
Marco: Meal Prep ist eine fantastische Lösung. Wenn man am Wochenende ein paar Stunden investiert, um gesunde Mahlzeiten für die Woche vorzubereiten, spart man unter der Woche viel Zeit.
Gerichte wie Chili con oder sin Carne oder eine ganze Lachsseite aus dem Ofen mit Gemüse sind dafür ideal.
Auch die Verwendung von Tiefkühlgemüse oder -früchten kann hilfreich sein, da sie oft genauso nährstoffreich sind wie frische Produkte und jederzeit griffbereit zur Verfügung stehen.
Stephan: Hast du noch abschließend einen Rat für Menschen, die ihre Ernährung verändern bzw. verbessern möchten?
Marco: Mein größter Rat wäre, klein anzufangen.
Kleine, nachhaltige Veränderungen sind oft effektiver als große, drastische Änderungen.
Statt sich vorzunehmen, alles auf einmal zu ändern, könnte man zum Beispiel damit beginnen, jeden Tag eine Portion Gemüse hinzuzufügen oder den Zuckerkonsum schrittweise zu reduzieren.
Geduld ist wichtig – Veränderungen brauchen Zeit.
Und vor allem: Genieße den Prozess!
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