Nachdem wir im ersten Teil vermehrt über Teamentwicklung gesprochen haben, geht es in Teil 2 um den Einzelnen Athleten und konkrete Handlungsempfehlungen.
Frage:
Ich nehme bei den Spielern eine sehr hohe Akzeptanz für dein Angebot wahr. Wie hat sich das im Laufe der Jahre entwickelt?
Als ich vor über 20 Jahren in diesem Bereich anfing, war die Akzeptanz für sportpsychologische Angebote noch sehr gering. Es herrschte viel Unwissenheit, und es gab sogar Widerstand. Der Gang zu einem Sportpsychologen wurde oft mit einem Arztbesuch gleichgesetzt – etwas, das man nur dann in Anspruch nimmt, wenn „etwas kaputt“ ist und repariert werden muss. Dabei liegt der Unterschied auf der Hand: Ärzte behandeln konkret, während psychologische Arbeit vor allem auf (Weiter-)Entwicklung und Kompetenzerwerb abzielt.
Natürlich gibt es auch mentale Herausforderungen, die gelöst werden wollen, oder psychische Erkrankungen, die klinische Therapeuten oder Psychiater behandeln müssen. Das fällt jedoch nicht in meinen Kompetenzbereich. Meine Aufgabe besteht darin, solche Fälle zu erkennen und bei Bedarf weiterzuvermitteln.
Inzwischen hat sich das Verständnis geändert. Dass Denken und Fühlen eng mit Handeln verknüpft sind und daher in der Leistungsentwicklung berücksichtigt oder sogar trainiert werden sollten, wird heute viel breiter akzeptiert. Viele Trainer-Ausbildungen beinhalten inzwischen psychologische Themen, und in fast allen deutschen Spitzensportverbänden stehen Sportpsychologen für Athleten und Trainer zur Verfügung. Beim DFB gibt es diese Unterstützung sogar für alle männlichen und weiblichen Jugend- und Erwachsenenteams.
Frage:
Wann ist aus deiner Sicht eine Unterstützung dringend nötig?
Viele Athleten entwickeln selbst funktionale Strategien, um Training und Wettkämpfe erfolgreich und mit einem guten Gefühl zu bestreiten. Doch während einer Karriere treten immer wieder Herausforderungen auf, bei denen diese Mechanismen an ihre Grenzen stoßen. Hier können neue Impulse hilfreich sein.
Abseits klinisch relevanter Fälle ist sportpsychologische Unterstützung besonders dann sinnvoll, wenn:
Trainings- und Wettkampfleistungen regelmäßig stark voneinander abweichen.
Der empfundene Stress durch den Leistungssport die Lebensqualität über längere Zeit beeinträchtigt.
Schwere Verletzungen als emotional stark belastend erlebt werden.
Frage:
Was sind mentale und psychische Merkmale von Top-Athleten? Gibt es Gemeinsamkeiten?
Kurz gesagt: Neugierde, Lust auf Herausforderungen und Freude am Tun.
Viele erfolgreiche Sportler, die ich am Ende ihrer Karriere danach gefragt habe, nannten diese drei Aspekte. Neugierde und Offenheit beziehen sich sowohl auf sich selbst als auch auf die Zusammenarbeit mit anderen – sei es mit Trainern, Mitspielern oder anderen Wegbegleitern. Es geht darum, sich selbst besser kennenzulernen, neue Dinge auszuprobieren und dadurch Lösungsansätze oder optimale Varianten zu entdecken. Fehler werden dabei als Lernmöglichkeiten gesehen.
Ein weiteres Merkmal vieler erfolgreicher Athleten ist ihr Wettkampfgeist, der oft schon im Alltag zum Vorschein kommt: vom Ballhochhalten vor dem Training bis zum Bälle-Einsammeln nach dem Training – alles wird zum Wettbewerb. Dieser spielerische Ansatz schafft eine Routine und Mentalität, die in echten Wettkämpfen Sicherheit gibt.
Freude am Tun spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Natürlich ist Leistungssport oft hart und wiederholungsintensiv, was den Spaß nicht automatisch garantiert. Ein großer Volleyballspieler erzählte mir einmal, dass ihm ein älterer Kollege den Tipp gab, sich jeden Tag bewusst eine Sache zu überlegen, die er mit Freude angehen will, und nach dem Training zu reflektieren, was gut geklappt hat. Dieser aktive Fokus auf Freude und Erfolgserlebnisse macht einen Unterschied.
Frage:
Woran misst ein Sportpsychologe seine Arbeit?
Das ist eine wichtige und oft gestellte Frage – vor allem in einer Zeit, in der datengetriebenes Arbeiten eine große Rolle spielt. Ein verändertes Mindset lässt sich jedoch nicht so einfach wie Pulsfrequenzen oder Lichtschrankenmessungen erfassen.
Psychologische Arbeit basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen und diagnostischen Verfahren wie Fragebögen, die Veränderungen messbar machen können. Allerdings sind solche Verfahren in der Praxis oft aufwendig. Daher ist es entscheidend, zu Beginn einer Zusammenarbeit klare Ziele zu definieren: Wo steht der Athlet, und wo möchte er hin? Dies wird durch Selbsteinschätzungen, regelmäßiges Feedback und beschriebene Verhaltensmuster begleitet.
Manche Leistungszentren nutzen standardisierte Fragebögen, die Athleten mehrfach pro Saison ausfüllen, um Fortschritte zu dokumentieren. Ein Beispiel ist das „Lab“ in Hoffenheim, das sich ausschließlich mit der Messung psychologischer Themen beschäftigt.
Frage:
Was kann jeder außerhalb des Profisports für seinen Alltag mitnehmen?
Es gibt viele Parallelen zwischen Leistungssport und Alltag. Zwei zentrale Punkte sind:
Ziele definieren.
Fokussiert arbeiten.
Ein klares Ziel und ein Plan sind essenziell – auch im Alltag. Es hilft, Ziele schriftlich festzuhalten:
Was genau will ich bis wann erreichen?
Woran werde ich meinen Erfolg erkennen?
Welche Zwischenschritte gibt es, und wer kann mich unterstützen?
Multitasking klingt oft verlockend, aber die Qualität leidet darunter. Im Alltag wie im Sport hilft es, „im Moment“ zu sein – achtsam wahrzunehmen, was man gerade tut, ohne es zu bewerten oder abzudriften. Dies lässt sich durch Meditation, Atemübungen oder auch achtsames Erledigen von Routinen wie Abwaschen oder Wäschelegen üben.
Frage:
Letztendlich entscheidet im Leben doch der Kopf. Hast du Tipps für Hobbysportler, um Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern?
Ja, hier gibt es zwei Ansätze: einen strategischen und einen emotionalen.
Strategisch: Um gute Entscheidungen zu treffen, sollte man sich zunächst selbst gut kennen. Wie viel Schlaf brauche ich? Was tut mir gut? Welche Denkmuster unterstützen mich? Dieses Wissen über sich selbst hilft, den Alltag so zu gestalten, dass er den eigenen Bedürfnissen entspricht.
Emotional: Selbstgespräche sind ein mächtiges Werkzeug der Selbststeuerung. Beobachten Sie, wie Sie mit sich sprechen. Unterstützen Sie sich selbst oder säen Sie Zweifel? Negative Selbstgespräche können sich leistungsmindernd auswirken, wie Studien gezeigt haben. Positiv ist es, sich auf das zu konzentrieren, was man will – nicht auf das, was man vermeiden möchte.
Frage:
Wer jetzt aufmerksam und neugierig geworden ist – wie erreicht man dich?
Am einfachsten via E-Mail:
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